17/2/2014 Von Nordecuadors Achterbahn ins Kolumbianische Kaffeehochland...Es lebe der Tinto!Read NowAllem Anfang wohnt ein Zauber inne…der Zauber neuer Welten, was hinter dem Horizont
liegt, dem was wir auf dem Weg finden und erkunden, der Zauber des Reisens. Nach langer Pause im Sattel empfinden wir den Aufbruch beinahe euphorisch intensiv und den Abschied aus Tumbaco zwar durchaus ambivalent, Abschied von Santiago und seiner familiären, legendären Casa de Ciclistas, aber auch befreiend. Ein tiefer Atemzug, ein kraftvoller Tritt in die Pedale, die Straße hat uns wieder. Rasch merken wir allerdings, dass nach einem kleinen und anabolen Urlaub Kondition und Höhenakklimatisation deutlich zu leiden hatten. Ein 4.080 er Pass ist plötzlich doch als deutliches Hindernis zu spüren, die Atemzüge schnell, das Herz schneller, der Verkehr am schnellsten. Eine stressige Steigerung. Das ist Straße eben auch, das ist Anfang eben auch, ein Zauber, der sich schnell gegen einen wendet. Wenn wir aber etwas gelernt haben, so ist es die Gewissheit und Sicherheit, dass wir jedes Ziel, wenn auch noch so langsam, erreichen können. Einmal oben mit Blick frei auf den 5.758 m hohen Vulkan Antisana befreit uns von allen Leiden und Mühen, das Blatt wendet sich erneut, Stolz, Freude und Begeisterung haben uns wieder. Nach rauschender Abfahrt und einem ausgedehnten Mittagsbad in den heißen Quellen von Papallacta, umgeben von pittoresker Berglandschaft, ist der Friedenspakt besiegelt. Wie könnte er es auch nicht sein in dieser Landschaft, die mit jeder Faser, jedem Grashalm das pure Leben verkörpert. Grün und grüner, wärmer und feuchter und einfach zauberhaft umspielt uns der Charme des Oriente mit seinen vielen Facetten. Der größte Wasserfall Ecuadors – San Rafael - stürzt über zwei Stufen in die Tiefen des Rio Cocoa - ein Anblick, der uns auch nach vielen vielen Kaskaden immer noch imponiert und uns in eine kurze Meditation abgleiten lässt. Auf der kurzen Wanderung durch dichten Dschungel lenken verspielte Äffchen unsere Aufmerksamkeit auf sich, während der Vulkan „El Reventador“ - ein nicht zu unterschätzender Feuerberg - in bedrohlicher Manier raucht und pfaucht... Nur wenige Kilometer abseits der Straße spielt es sich also so richtig ab, das beflügelt auch unsere Fantasie auf dem Asphalt, sofern die unnachgiebige Hitze zwischen frühem Vormittag und spätem Nachmittag nicht unsere Sinne umnebelt. Wie sollte sie es auch nicht, wir nähern uns mit jedem Treter, jedem zurückgelegten Meter über Berge und Hügel, Linkskurve und Rechtskurve dem bekanntesten aller Breitengrade, 0°, dem Äquator. Noch jetzt umgibt uns eine eigenartige Sentimentalität wenn wir in Gedanken zurückreisen zu jenem Moment, jenem zauberhaften Anfang am „Ende der Welt“, Breitengrad 54°48´ Süd, als alles vor uns lag, alle Erlebnisse, Abenteuer und Wunder der Reise nichts weiter waren als bestenfalls Wünsche und Hoffnungen, auf ein unbeschriebenes Blatt projiziert. Und da stehen wir nun, vor einem kleinen Monument, eine Weltkugel aufgesetzt, eine symbolische Linie, Nord, Süd, Ost, West. Demut, Dankbarkeit und ein Freudenfeuer toben in uns und lassen uns zufrieden im Augenblick schwelgen, in dem Anfang und Ende verschmelzen und wir zurückkehren in die nördliche Hemisphäre, die letzten Endes doch auch ein kleines Stück Heimat beherbergt. Gleichzeitig nähern wir uns auch der Grenze Ecuadors und besiegeln die letzte Nacht im Garten des wohlwollenden Victor, der uns mit seinen Geschwistern einen herzlichen Abschied aus diesem wunderbaren Land gewährt. Ein Ausreisestempel - Adios, ein Einreisestempel - Bienvenidos, drei Kilometer und die Puente Internacional (internationale Brücke), vergleichsweise wenige Hindernisse trennen uns von unserer letzten Destination auf dem Kontinent. Kolumbien. Alleine das Aussprechen des Namens, der Gedanke an dieses Land löst einen Sturm an Gedanken aus…oder nicht? In uns hat sich seit Monaten eine aufgeregte Spannung eine kaum zu überbietende Neugier aufgebaut. Das Spannungsfeld zwischen medial transportierten Bildern und den ausschließlich euphorisch positiven Berichten anderer Reisender und Radler macht die „Landung“ beispiellos interessant… Landschaftlich ändert sich anfangs nicht allzu viel, kein Kaffee, keine Pferde, Viehweiden und Wald, wie drei Kilometer zuvor. Was soll es also sein, was dieses Kolumbien speziell, anders macht? Das Bewusstsein darüber stellt sich schleichend ein, beginnt mit scheuen Gesprächen mit den Leuten und endet am ersten Abend bereits im kleinen Vorgarten einer einfach lebenden Familie, die uns auf so natürliche Weise willkommen heißt und mit uns teilt, das wir uns auf Anhieb wohl fühlen. Ein Ei zum Abendessen, Bananen, Platanos, alles teilen sie so selbstverständlich, obwohl wir uns doch unserer Ansicht nach selbst eingeladen haben. Einzig ein territorialer Truthahn lässt uns seine Abneigung spüren, wird aber vom fünfjährigen Stammeshalter mutig in seine Schranken gewiesen. Gastfreundschaft ist hier keine aufgesetzte letztlich eigennützige Maske, sie ist Selbstverständnis. Glückselig treten wir den ersten vollständigen Tag in Kolumbien an. Auf und Ab, Achterbahn wie gewohnt und mit jeder Stunde des Tages heißer und heißer bis zum bedrohlich empfundenen Inferno, aus dem es kein Entrinnen gibt. Zudem entpuppt sich die anfangs asphaltierte Straße als schonende Vorbereitung auf eines der schlechtesten Wegstücke der Reise. Riesen Steine hindern uns an halbwegs akzeptablem Weiterkommen und mit jedem passierenden Laster bleiben wir für Minuten in einer dichten Staubwolke zurück. Na herrlich. An unsere Lungen wollen wir erst mal gar nicht denken. Ausgleichend werden wir mit einer wunderbaren Begegnung beschenkt, ein kleines Perezoso (Faultier) hat sich auf unerklärliche Weise auf die Straße verirrt und wird gerade als wir vorbeikeuchen von zwei Soldaten zurück in den Wald begleitet. Schwer atmend, erschöpft, aufgeregt und irritiert blickt es uns an und wir staunen zurück, die langen Fingernägel, der müde Blick, das zottelige Camouflage-artige Fell. Welch eigenartige Episode muss das im Leben dieser langsamen und bedacht wirkenden Kreatur sein. Welch unvergessliche Begebenheit muss das im Leben zweier rastloser Radfahrer sein. Was nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wird, bemerken wir nun erstmals am Wegesrand, die Spuren und nach außen zutage tretenden Auswirkungen des pannungsfeldes, das dieses Land subtil beherrscht. In die Luft gesprengte Ölpipelines. Guerilla, FARC, Unwörter die keiner zu gebrauchen wagt und die trotzdem vor allem in der südlichen Provinz schwer in der Luft hängen. Das Militär zeigt omnipräsent sein Bemühen die Oberhand zu behalten, scheint auch die Aktivitäten deutlich zurückgedrängt zu haben, was uns in jedem Gespräch mehrfach versichert wird. Und nachdem uns persönlich in jeder Zwischenmenschlichkeit ausnahmslos Hilfsbereitschaft, Neugier und Wohlwollen entgegengebracht werden gibt es weder Grund noch Anlass für Unsicherheit oder Angst. Ab dem kleinen Dörfchen Santa Ana können wir wieder geschmeidig über Asphalt gleiten, was aber bleibt sind die unerträglichen Temperaturen, die uns regelmäßig ab Mittag leiden lassen. Beinahe zu unserem Glück liegt vor uns ein Pass, dessen Höhen uns auf milde Kühle hoffen lassen. Mit jeder Kurve gewinnen mehr Ausblick über den undurchdringlich scheinenden Wald und entfernen uns mehr und mehr von der Zivilisation, die sich nur noch auf kleine Holzhütten am Wegesrand beschränken. Die Zeltplätze halten sich deutlich in Grenzen und so bleibt uns erneut nichts anderes übrig als bei einer kleinen einfachen Behausung um ein Stückchen Wiese zu bitten. Wiese? Zelt? Nichts da, ein kleines Zimmerchen mit Holzpritsche wird uns zugewiesen, ein Tinto und Bananen zur Begrüßung serviert, Abendessen und Frühstück (Popcorn und Tinto= schwarzer Kaffee) mit uns geteilt und fröhlich mit uns über Gott und die Welt konversiert. Die Wärme und Nähe der Menschen beflügelt uns beinahe und trägt uns mühelos über die Passhöhe, auf deren Kehrseite sich die Landschaft schlagartig ändert und viel mehr unserem Bild von Kolumbien zu entsprechen beginnt. Grüne Hügel, Kaffeepflanzen und Bananenstauden wohin die Blicke reichen und Fincas in typischer Architektur in deren Vorgärten Pferde weiden. Wie unbeschreiblich schön wir diese Gegend empfinden… und wie schnell sich ein Tag zu Ende neigt. Das gleiche abendliche Spiel der Herbergssuche beginnt - wir sind ein Paar aus Österreich, radeln von Feuerland in die Karibik, brauchen Zeltplatz für eine Nacht etc. etc. etc. Es scheint es wäre nicht Kolumbien, würden wir nicht wieder herzlichst aufgenommen werden. Es führt uns ins Haus der jungen Tierärztin Marcella, die die Kaffeefinca eines gealterten Onkels verwaltet und bewirtschaftet. Urlaub am Bauernhof in seiner romantischsten Form. Wir helfen Marcella bei der Mandarinenernte, erkunden den exotischen Obst- und Gemüsegarten, dinieren mit ihr gemeinsam in der rustikalen Außenküche und nach einer unvergleichlich erholsamen Nacht (in Zimmer mit Bett) führt sie uns am nächsten Morgen in die Geheimnisse des Kaffee-Röstens ein. Am Anfang steht ein Sack roher Bohnen. Wir mahlen um die Bohne aus der Schale zu lösen, trennen dann das Gemisch, indem Christopher langsam alles zu Boden leert, während Marcella und ich heftig mit riesigen Topfdeckeln Wind erzeugen, der nur die schweren Bohnen zu Boden fallen lässt. Um die Qualität zu steigern müssen wir nach Schema Aschenputtel „die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“ aussortieren. Erst dann beginnt das eigentliche Rösten. Mit einem überdimensionalen Holzlöffel rühren wir im Eisenkessel über einem kleinen Feuerchen solange bis der Geruch des schwarzen Goldes in unsere Nase steigt, mahlen noch heiß diesen Schatz und füllen unsere Behälter bis zum Bersten, um ab jetzt täglich unseren selbstgerösteten Kaffee genießen zu können. Und er schmeckt….mmmhhhh…einfach herrlich. Der Abschied fällt uns schwer, in kürzester Zeit ist Marcella eine Freundin und die Finca ein vertrauter Ort geworden. Wieder spüren wir die Spannung zwischen Verweilen Wollen und dem unvereinbaren Drang zum Aufbruch und Weiterstreben…das immerwährende und tägliche Prinzip unserer Reise, jeder Reise. Am Ende siegen immer Vorfreude und Neugier… San Agustin und die archäologischen Funde im Großraum des Magdalena Quellgebietes (Rio Magdalena = Hauptfluss Kolumbiens)bieten viel Spielraum dafür. Gewaltige einzigartige Steinstatuen entführen uns in eine Zeit, lange vor unserer, in ihre Mythologie und geben noch heute den Archäologen Rätsel über diese Kultur und Volksstämme auf, die ihre Geheimnisse in Form dieser Skulpturen hinterließen und so unsterblich geworden sind. Der Drang des Menschen nach Unsterblichkeit, ist er es der uns zu solchen Schöpfungen beflügelt, die unsere Zeit überleben und der Nachwelt ein Schatten unserer Selbst hinterlassen? Im Tal des Rio Magdalena folgen wir der Straße nordwärts Richtung Hauptstadt. Ringsum abflachende Hügel, die Meereshöhe deutlich unter der möglichen Kaffee-Anbauzone und das heiße Klima beeinflussen deutlich die Landschaft…Reis, Weideland und Rinderfincas und über einen kurzen Abschnitt abseits der Hauptstraße eine für Kolumbien einzigartige wüstenartige Gegend, die Desierto de la Tatacoa. Wenn auch das Mikroklima nicht zu einer vollständigen Wüstenlandschaft geführt hat, so macht es doch mit ihren 45° C, den ubiquitären Kakteen und der mondartigen rötlichen Sandsteinlandschaft großen Eindruck auf uns. Ein kleines Observatorium das auf einem der Hügel thront und einen malerischen Überblick über die Landschaft gewährt scheint ein nur allzu passender und stilechter Ort zum Campen. Für eine Führung durch den nördlichen Sternenhimmel bleibt nach einem Rekordtag mit Rekordtemperaturen aber kein Fünkchen Kraft. Schon am nächsten Morgen müssen wir den Weg zurückfinden zur Hauptschlagader gen Norden. Ein kleines Kanu, gerade Platz bietend für unser kleines Radteam, bringt uns schaukelnd über den Fluss ans andere Ufer, wo, nachdem wir den Obolus entrichtet haben, ein Fußweg durch Sumpflandschaft und über morsche Brücken zurück zur Straße führt. Ein kleines Dörfchen namens Natagaima wird wohl in naher Zukunft etwas mehr über uns und unsere Reise erfahren. Es scheint ein Abend wie viele zu werden, wir finden Unterschlupf im alten Gefängnis des Ortes, das mittlerweile die freiwillige Feuerwehr beherbergt, richten uns gemütlich im Hof ein, beginnen das Gemüse für das Abendessen zu schneiden, als der Kommandant an uns herantritt, einen Kameramann im Hintergrund und uns um ein Interview für den lokalen Sender bittet. Lokalsender oder CNN, ein bisschen geehrt fühlen wir uns da schon, platzieren uns mit unserem „Reporter“ vor Hugo und bemühen uns die einfachen Fragen so gut wie möglich zu beantworten, um das Ding in den Kasten zu bringen. Schnitt. Zurück in der Realität führen wir die Unterhaltung etwas intensiver fort und erfahren viel um und über die Problematik des Landes, die Schere zwischen Arm und Reich, Guerillakriege, Korruption etc. Dass eine blutige Geschichte hinter dem Land liegt, mag man zwar irgendwo im Hinterkopf haben, unser Bewusstsein hatte es allerdings bis dahin nicht erreicht. Je weiter wir in das Land vordringen, desto mehr wird uns dieses Konfliktpotenzial zwar bewusst, bleibt aber dennoch immer in ferner Distanz, denn Arm und Reich, egal mit wem wir Gespräche, Momente und Abende teilen, alle transportieren eine derartig tiefgreifende Herzlichkeit, die uns immer wieder aufs Neue berührt, dass es uns kaum möglich scheint, dass es auch eine Schattenseite in diesem wunderbaren Land gibt. Viele Gedanken die uns beschäftigen. Findet gewöhnlich, oder zumindest oft, das Leben für uns auf der Straße und drum herum statt, so bleibt sie bis El Espinal doch nur der Weg zum Ziel. Das Ziel wieder ein Stück Reise gemeinsam mit unserem lieben Franzosen, Freund und drittem Musketier, Arnaud (alias Portus), zurückzulegen. Mussten wir uns in Ecuador trennen, denn keine Pfade verlaufen auf ewig parallel, führen uns nun, nach unerwartet kurzer Zeit die Fäden des Lebens wieder zusammen. Zu dritt bestreiten wir nun die nächste Etappe ins Kaffeehochland Kolumbiens. Stetig führt die Straße höher und höher, aus dem Backofen des Ostens in die angenehme Kühle der Berge. Nicht zu ersten Mal auf der Reise müssen wir am Tagesende lange nach einem passenden Ort zum Campen suchen. Die Polizei scheint keinen Platz zu haben, Bomberos gibt es keine, die Schulen geschlossen und die Lehrer nicht da, der Flussufer zu steinig. Es ermüdet uns einen langen Tag nicht einfach problemlos beenden zu können. Just in jenem Moment, die ersten gestresst genervten Gefühle treten zutage, betritt die neunjährige Yessica die Bühne und lädt uns neben das Haus ihrer Schwester ein. Wie gerne folgen wir ihr und stören uns auch nicht daran, dass es mitten auf der kleinen Sackgasse der Dörfchens sein soll, wo wir die Nacht verbringen werden. Keine zwei Minuten dauert es und die gesamte Straße, Kinder und Jugendliche versammeln sich um uns und löchern uns mit Fragen. Und obgleich wir anfangs beginnen ein klein wenig Panik zu entwickeln, dass uns der Kindertrubel zu viel werden könnte, wird es ein buntes und reizvoll interessantes Gemisch aus Alltag für uns einerseits und das Spannendste, was die Kinder je erlebt zu haben scheinen andererseits. Am Ende werde ich mit Stofftieren beschenkt, Arnaud mit endlosen Kinderzeichnungen und wir alle drei mit einer positiv unvergesslichen Überraschung. Mit all unseren Lasten liegt die Geschwindigkeit beim Erklimmen der Berge und Pässe weit unten im einstelligen Bereich. Keine große Überraschung also, dass Rennradler an uns vorbeiziehen, ohne überhaupt großartig Notiz von uns zu nehmen. Umso erstaunter sind wir, als jemand langsam neben uns zu radeln beginnt, sich für uns und unsere Reise interessiert und uns auf Tinto und Bananen einlädt. Ein Kollege in doppelter Hinsicht. Javier ist Arzt und zum Ausgleich Rennradler und ein ausgesprochen gewinnender und liebenswerter Mensch. Wir besprechen unsere Pläne mit ihm, tauschen E-Mail-Adressen und verabschieden uns nur ungern nach einem kurzweiligen Vormittag. Wir alle müssen weiter, jeder hat seine Bestimmungen und Pflichten. Unsere Bestimmung für die folgenden Tage ist eine atemberaubende Landschaft, die wir uns über einen schlechten Feldweg durch das Hinterland in die Zona cafetera erarbeiten müssen. Der Abschied von Hauptstraße, Verkehr, Abgasen und Lärm fällt leicht und bringt uns ins Bewusstsein, dass wir lange die Geräusche der Natur entbehren mussten. Über den ersten der beiden Pässe treten wir uns tapfer hinweg, die Landschaft noch intensiv bewirtschaftet mit Frijoles (Bohnen), die die steilen Hügel in ein warmes Gelb tauchen. Die Abfahrt in die tiefe Schlucht lotst uns in ein charmantes Bergdorf, in dem die Uhren in anderem Rhythmus ticken. Die kleine Kirche bildet das unbestrittene Zentrum, vor den zwei kleinen bunten Läden, die mit dem Notwendigsten versorgen, besprechen die Dorfmänner in Gummistiefel, Hut und Machete die wichtigsten Geschehnisse und die einzige schnellere Fortbewegungsart neben den eigenen Füßen bietet das Pferd oder bestenfalls ein antikes Moped. Wir lieben es, auch dass wir wahrscheinlich der Dorfklatsch der gesamten Woche sein werden. War es bisher hart, anstrengend und kräftezehrend, so wird es im zweiten Gipfelsturm ein erschöpfender Kampf mit der Schwerkraft und dem steinigen Pfad nach oben. Ein Motorradfahrer hält neben uns und wir erkennen unseren Freund Javier (der Rennradler von gestern) wieder, der uns mit Sandwiches versorgt und die vor uns liegende Strecke für uns erkundet. Indessen kämpfen wir uns Meter für Meter weiter in eine der bezauberndsten und schönsten Landschaften. Bis zu fünfzig Meter hoch ragen anmutige Wachspalmen in den Himmel und bedecken soweit das Auge reicht die umliegenden Berge. Jedes Leiden scheint uns plötzlich so gerechtfertigt, dass wir auch die unzähligen Abschnitte, in denen wir nur noch schiebend vorankommen mit einem tiefen Gefühl der Befriedigung überwinden. Javier hat inzwischen eine Bleibe für uns in einer charmanten Finca organisiert, Abendessen für uns bestellt und bezahlt und verabschiedet sich zum zweiten Mal von uns. Ohne seine Hilfe wären wir wohl am Weg liegen geblieben, die Kräfte sind aufgebraucht, jeder Schritt schmerzt und nur die Aussicht auf Essen und Bett lassen uns die „Finca Carbonera“ erreichen - glückselig und am Ende. In der warmen Küche am Holzofen stärkt uns die Hausherrin mit kräftiger Suppe, Reis und Bohnen, sodass wir gestärkt am nächsten Tag endlich den Pass erreichen und eine 20 Kilometer-Abfahrt in das Schmuckstück Salento mehr oder weniger genießen, denn der steinige Pfad hält uns auch in der Abfahrt vor rauschenden Geschwindigkeiten zurück. Es ist ein Sonntag, als wir in Salento eintrudeln und uns vor Schock, ob der Menschenmassen zunächst der Fluchtgedanke erfasst. Der Gegensatz zwischen einsamer Bergwelt, Natur und Stille und die plötzliche unerwartete Umarmung einer überschwemmten Touristenstadt erfasst uns zu kalt und unvorbereitet. Wir ziehen uns im Garten eines Hostels zurück und erwarten gespannt den nächsten Tag. Es ist beinahe unglaublich, nach eineinhalb Jahren Reise treffen wir Peter wieder, mit dem wir drei intensive und einmalige Wochen auf der HS Schubert geteilt haben. Das Wiedersehen ist entsprechend freudig und beschwingt, es gibt auf beiden Seiten viel zu erzählen. Die zweite Runde durch Salento mit dem einen oder anderen Stopp zu Tinto, frischem Saft aus diversen (vorher nie gehörten tropischen Früchten) und Bier verläuft an einem Wochentag deutlich entspannter und die koloniale Stadt mit ihren prachtvollen und einzigartig farbenfrohen Türen, Fenstern und Balkonen nimmt auch uns letztendlich mit ihrem glänzendem Charme gefangen. Ab nun tauchen wir ein in die Welt des Kaffees. Tinto am Morgen, Tinto am Vormittag, zu Mittag, zu eigentlich jeder erdenklichen Tageszeit kann ein Tässchen des schwarzen Goldes nicht verkehrt sein. Kaffeekekse, Kaffeelikör, Kaffeekaramell… In der kleinen biologisch geführten Finca des freundlichen Don Elias spazieren wir durch die Plantage und lernen alles vor dem Getränk und seinen unzähligen „Derivaten“ kennen. Den Anbau, die Pflege, Ernte und Vertrieb dieses Tropfens, der die Welt betört. Einen kleinen Teil der Zona Cafetera erkunden wir im Jeep. In Marsella, einem kleinen fast ebenso bunten Städtchen, das dem Tourismus noch nicht zum Opfer gefallen mieten wir uns einen Willy Jeep, (aus den USA importierte Residuen aus dem 2. Weltkrieg), die zu den kleinen Städtchen der Gegend genauso zu gehören scheinen, wie die farbenprächtige Architektur. Ein Feldweg führt über einen Höhenrücken, von dem aus man unbeschreibliche Panoramen über die Kaffeeanbauzone mit geschmackvollen Fincas genießt und die Pflanzen beladen mit Blüten bis zu den roten Beeren bestaunen kann. Ab und an dringt der Geruch frisch gerösteten Kaffees in die Nase, was wäre also naheliegender als sich am nächsten Ständchen einen kleinen Tinto zu gönnen. Der Abend lassen wir kolumbianisch ausklingen bei einem Spielchen Tejo. Doch lassen wir diesen National“Sport“ doch Gegenstand der nächsten Geschichte sein, um am Ende einen neuen Anfang vorauszuschicken.
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November 2014
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