Tag für Tag füllen wir die große Landkarte Südamerikas wie ein Ausmalbild, das wir von Süd nach Nord bunt mit Erlebnissen, Eindrücken und Begegnungen bemalen. Standort aktuell ist seit wenigen Stunden Santiago, wir verzeichnen bereits 4.152 Kilometer und 39.408 Höhenmeter und hinter jenen abstrakten Zahlen verbergen sich viel Anstrengung und Schweiß, viel mehr noch jedoch Geschichten und Anekdoten, an denen wir euch ein wenig teilhaben lassen wollen. Versetzt euch mit uns in die bezaubernde Seenlandschaft m Süden Chiles und Argentiniens. Geschmeidige Hügel mit großzügigen Wiesen, alten Baumbeständen, stolzen Gehöften und Estancias und unzählig viele Seen, einer blauer und malerischer als der andere, zieren die Landschaft. Beim ersten Schild, das groß „Kuchen“ anbietet oder bei einem Hotel namens „Tante Puppe“ blicken wir noch verwundert zurück, fast fühlen wir uns ein wenig nach Hause zurück befördert, deutsche Siedler haben eben die Gegend in ihrem Sinne geprägt – ordentliche, saubere und aufgeräumte Anwesen, Kuchen und deutsches Bier, schön gemähter Rasen…wären nicht am Horizont die ersten schneebedeckten Vulkankegel, die wie wir später erfahren nicht alle ganz unschuldig sind. Ein letztes mal nähern wir uns langsam wieder Argentinien, das uns ebenfalls mit seinen Seen noch einmal zu einem Kurzbesuch einlädt. Zwischen uns und der argentinischen Schweiz liegt der moderate 1.305 m hohe Paso Cardenal A. Samore. Das Schmalz in den Wadln passt an diesem Tag, wir checken in Chile aus, fahren noch ein paar Meter in Serpentinen den Pass rauf und beschließen nach 1.100 Höhenmeter und 73 km an jenem Tag unser „ReHugio“ am Straßenrand einzurichten. Es folgt ein reichhaltiges Maisrisotto, die Gitarre wird ausgepackt, ein grünweißes Auto fährt langsam vor. Die Carabineros de Chile, Ordnungswächter, gewöhnlich wahrlich Freunde und Helfer, teilen uns mit, dass auf dem Pass, im Zwischengrenzland das campieren streng verboten sei. Ob der fortgeschrittenen Stunde (19 .00) macht man uns ein unmoralisches Angebot, nämlich uns per Pickup die restlichen 600 Höhenmeter den Pass hinaufzubefördern, sodass wir nur noch eine 17 km Abfahrt zum argentinischen Grenzposten vor uns hätten. Was für ein Oferta, das wir nach einiger Überredungskunst ausschlagen können und müssen…schummeln geht einfach gar nicht. Hugo wird abgebaut, die Räder gesattelt und um 20.00 h in der beginnenden Dämmerung machen wir uns das zweite Mal an diesem Tag auf den Weg. Langsam umgibt uns die Dunkelheit, kaum können wir noch erkennen, dass Wald und Straßengraben teils meterhoch mit Asche gefüllt sind – Relikte eines Vulkanausbruches 2011, mysteriös und unheimlich, zumal uns auch der Nebel nahe der Passhöhe umschmeichelt. Die Kälte der Nacht gesellt sich hinzu und als wir gegen 22 Uhr endlich die höchste Stelle erreicht haben, liegen vor uns noch immer 17 km bis zum Grenzposten. Eine weitere Stunde quälen wir uns mit der Stirnlampe bewaffnet die Straße entlang, bis wir endlich die Lichter des argentinischen erblicken. Völlig geschafft klopfen wir an die Tür der Grenzpolizei. Man erwartet uns bereits, Chile hat Argentinien sozusagen informiert über unsere späte Ankunft. Zu müde, um nur einen Meter zurück zu radeln, um uns des nachts den Einreisestempel abzuholen, biwakieren wir zum zweiten Mal, beinahe noch an Ort und Stelle, drei Schritt vor der polizeilichen Haustür neben einer kleinen Lagune. Der Schlaf ereilt uns beinahe im Stehen an diesem „Tag der drei Rekorde“, wie er in unsere Annalen eingehen wird. Acht Stunden 50 Minuten im Sattel, 1858 Höhenmeter und 104 Kilometer, alle drei noch einmal im Rahmen einer Etappe zu toppen werden wir kaum mehr schaffen. Soweit, so gut, Ostern steht vor der Tür, dem Osterhasen haben wir genug Gründe für ein prall gefülltes Osternest geliefert, wir befinden uns am Lago Nahuel Huapi in Villa La Angostura. Fleisch und Schokolade sind die Themen der folgenden Tage, bevor wir uns zurück auf die Straße wagen und die bei In- und Ausländern beliebte Ruta de Siete Lagos befahren. Ein kleiner malerischer See folgt dem nächsten und am letzten der sieben, vor San Martin de Los Andes legen wir noch einmal einen Urlaubstag ein, bevor wir über den Paso Hua Hum überqueren und somit Argentinien zumindest für diese Reise wohl hinter uns lassen müssen. Ade Steak, ade Malbec, ade Facturas – es war uns eine Ehre. Argentinien ist Vergangenheit, die Seen nicht. Noch gilt es die chilenische Seite dieses anmutigen Landstriches abzugrasen und zu genießen. Das Wetter spielt nun nicht mehr immer in angenehmen Dur- Tönen, ein bisschen Moll, heißt Regen und Feuchtigkeit müssen wir ob der fortgeschrittenen Jahreszeit hinnehmen. Macht nix wäre gelogen, macht zum Teil etwas - hat aber auch seine Vorteile, trifft es hingegen schon eher. Der Vorteil liegt eindeutig in den kreativen Schlafplätzen die wir so erlangen. Da wäre zu nennen ein Wartesaal an einer Bootsanlegestelle und einiges mehr, worauf wir noch zu sprechen kommen. Das Seenland endet für uns in Villarrica, ein beschauliches kleines Städtchen am Fuße des gleichnamigen Vulkans, der zu den aktivsten Chiles zählt und manchmal mit einer Säule aus Rauch und Lava für Furore sorgt, ein Schauspiel, das er uns verweigert. Genug der Seen, genug des Regens, genug des Südens, wir wollen endlich in den Norden, in die Sonne, in die Wärme, dorthin wo Wein anstatt von Milch und Honig fließt, in das nah und fern bekannte Valle Central. Nach Adam Riese ist der schnellste Weg dahin die Autobahn – ja, ganz recht, ganz recht, auch für uns Radfahrer. Dazu sei folgendes vorausgeschickt: Ruta 5, das ist DIE Panamericana, das ist auch Autobahn und in diesem Abschnitt die direkteste Süd-Nord Verbindung. Man glaubt es kaum, aber auf dem Pannenstreifen fühlen wir uns sicherer als auf mancher lokalen Straße und zudem scheinen wir gern gesehene Gäste zu sein, zumindest dem fröhlichen Gehupe und Gewinke der Lastwagenfahrer nach zu urteilen. An das Kuriositäten-Dasein sind wir seit den manchmal unfreiwilligen Fotoshootings an der argentinischen Ruta de Siete Lagos ohnehin gewöhnt. Wie dem auch sei, rasch machen wir Fortschritte auf der Landkarte, was sich auf dieser als langer Strich und im echten Leben als deutliche Zunahme der Temperaturen bemerkbar macht. Entsprechend erspähen wir mehr und mehr Obstplantagen in dem sich vor uns öffnenden Valle Central - Äpfel, Kiwi, Haselnüsse und bald vor uns ein im Licht der Sonne gelb-rötlich schimmernder Weingarten. Wer könnte hier, im Herzen des Weinbaus, einem Gläschen Cabernet Sauvignon oder gar einem Carmenere widerstehen? Wir dürfen uns besonders glücklich schätzen, in den Besitzern der Vina Los Acantos treffen wir auf ausgesprochen liebenswürdige ältere Herrschaften, die uns Sonntag nachmittags auf Kaffee und Schokolade einladen, eine Flasche Wein schenken und uns in einem ihrer Weingärten übernachten lassen – das sind unsere magischen Momente…außergewöhnliche Schlafplätze, wohlwollende und interessierte Menschen…fast täglich dürfen wir uns in dieser Hinsicht höchst glücklich schätzen, mal campieren wir in einem Schwimmbad neben der Panamericana, zweimal nächtigen wir einem unbewohnten Haus, bekommen Schlüssel, Essen und warme Dusche, wieder ein andermal dürfen wir uns Gäste im Garten der Carabineros de Chile nennen – ganz recht, erneut lernen wir kennen wie Polizisten sein sollen und können, unsere Freunde und Helfer. Allen voran sei jedoch unser Radfreund Leo erwähnt, bei dem wir drei Tage in Talca übernachten dürfen, der uns mit Frühstück verwöhnt und die Gegend zeigt und erklärt. Wir treffen Anna und Magdalena, herrlich nach so langer Zeit auf Reisen mit den beiden ein bisschen Zeit zu verbringen und einen Teil unseres Abenteuers mit ihnen zu teilen. Alle gemeinsam besuchen wir die Vina San Pedro, zweitgrößter Weinproduzent Chiles – vor uns erstrecken sich 1.200 Hektar Weinbau, eine spannende Tour durch Weingärten, Keller und gustatorisch durch die lokalen Klassiker Carmenere und Chardonnay. Schwer fällt der Abschied, doch es zieht uns nordwärts, die Hauptstadt und Metropole Santiago de Chile wartet – wartet auf uns…in diesem Sinne verabschieden wir uns aus diesem Kapitel, wir wollen doch eine Stadt von Welt nicht zu lange warten lassen :-)
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November 2014
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