Im Nebel ruhet noch die Welt, noch träumen Wald und Wiesen. Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, den blauen Himmel unverstellt, herbstkräftig die gedämpfte Welt im warmen Golde fließen. (Eduard Mörike) …Langsam, aber sicher neigt sich unser Sommer seinem Ende zu. Am Morgen erwachen wir nun oft n einem taunassen aber auch mal frostigen und von Reif überzogenen Zelt - der Nebel gibt erst nach und nach die Landschaft frei und erstmals müssen wir auch einige Regentage verschmerzen. Aber sogar das ist manchmal ein Geschenk, denn an einem besonders nassen Tag dürfen wir uns Gäste der Casa de Ciclistas in Manihuales nennen, wo wir mit RadkollegInnen auf sonnigere Zeiten warten dürfen und uns die Zeit mit gemeinsamen Kochen und dem Austausch von Radanekdoten vertreiben. Bleibt nur noch die Frage offen, was denn eine Casa de Ciclistas ist? Nun, in diesem Fall die Garage des gastfreundlichen Jorge, die er mit Matratzen und Herd ausgestattet hat, um Radfahrern einen kostenlosen Unterschlupf und Regenschutz zu bieten! Kann gerne als Inspiration verstanden werden :) Trotz aller Gemütlichkeit muss man auch irgendwann wieder weiter, dem schlechten Wetter trotzen und gegen Norden ziehen, gemäß der Richtung der hiesigen Zugvögel. Wieder Regen, wieder kein Dach, Mittagszeit und Hunger, was tun? Neben der Straße raucht es behaglich aus einem Hüttchen, mit Hundeblick bitten wir um ein Plätzchen, wo wir unsere Brötchen verspeisen können. Daraufhin werden wir gleich auf ein Tässchen Kaffee eingeladen, während unser „Gastgeber“ neben uns einen Rinderschädel in seine Einzelteile zerlegt. Na Mahlzeit! Weder Brot, noch Kaffee haben uns so richtig geschmeckt und die Pause wurde auf ein Minimum verkürzt. Nichts destotrotz, es lebe die chilenische Gastfreundlichkeit. „Scheint die Sonne – genieß es, Regnet es - dann lernst du Patagonien kennen.“ Ein wahres Sprichwort, in all seinen Facetten. Langsam nähern wir uns kalendarisch einem Jahreshighlight, dem 12. März. Wir treten schneller und fester, um diesen Tag, Christophers Geburtstag, an einem besonderen Ort zelebrieren zu können. Puyuhuapi qualifiziert sich unter den Bewerbern, ein charmantes kleines Örtchen, das 1935 von vier jungen Deutschen gegründet wurde. Da gibt es zum Frühstück schon einmal Vollkornbrot und im Café echten Kuchen. Und obendrein ein Geburtstagsabendessen im schicksten Restaurant der Stadt, in dem einem die Speisewahl leicht fällt, weil es ohnehin nur Merluza = Seehecht gibt, den aber „a lo Pobre“ (für Arme=mit Spiegeleiern obendrauf) und extrem lecker zubereitet. Nach ausgedehnten Feierlichkeiten setzen wir unseren Weg fort. Wir nähern uns dem Ende der Carretera Austral, das für uns durch den Ort Chaiten markiert wird, denn hier setzt uns die Fähre über nach Quellon, Chiloe. Chaiten wurde 2008 durch den (völlig überraschenden) Ausbruch des gleichnamigen Vulkans und eine nachfolgende Überschwemmung/-schüttung schwerst beschädigt und noch heute umhüllt die Stadt eine geisterhafte Atmosphäre – zerstörte und verlassene Häuser und der bedrohlich rauchende Vulkan am Horizont. Wir richten nun den Blick gegen Westen – im Nebel vor uns liegt die zweitgrößte Insel Südamerikas (nach Tierra del Fuego) – Isla Grande de Chiloe. Viele Geschichten ranken um das Eiland, Nahrung für unseren neugierigen Geist. Die Fähre bringt uns an das südliche Ende des Archipels. Sanfte grüne Hügel gestalten das wesentliche Relief und werden geziert durch Eukalyptuswälder, weidende Schafe, Brombeerhecken und bunte aus Zypressenholz gefertigte Kirchen, von denen es insgesamt mehr als 150 an der Zahl gibt. 16 davon wurden zum UNESCO Weltkulturerbe erhoben. Weiters dominiert der Fischfang nicht nur die Speisekarte, sondern die kleinste bis zur größten Stadt – bunte Fischerboote in den Häfen, hektisches Treiben auf den kleinen Märkten, Austern-schlürfende Hafenarbeiter, Delfine und Robben in den Buchten… Chiloe ist stolz auf eine reiche Mythologie und Sagengestalten, darunter beispielsweise El Caleuche, ein Geisterschiff, das als ein schönes Segelschiff mit den Klängen einer Feier an Bord erscheint, aber schnell wieder verschwindet oder sich durch Untertauchen versteckt… Zunächst radeln wir nordwärts in die Hauptstadt Castro, deren Mittelpunkt eine mächtige gelbe Holzkathedrale darstellt. Weiter geht’s über die Ostküste bergauf bergab (900 hm fast tgl.) durch mehrere kleine Küstenorte bis an die nördlichste Hafenstadt Ancud, wo wir vor dem Übersetzen aufs Festland einen Tag Pause einlegen um die letzten Impressionen Revue passieren zu lassen und hiermit mit euch zu teilen. Ach ja, und um Wäsche zu waschen... Saludos y abrazos Agnes y Christopher
0 Comments
Zuerst holt einmal tief Luft, trinkt einen kräftigen Schluck Wasser und sucht euch ein gemütliches Plätzchen, denn nun beginnt eine ungemütliche, wohl aber wunderschöne und lohnende Etappe! Den imposanten Fitz Roy verlassen wir auf einer Muggelpiste Richtung Lago del Desierto (Wüstensee in einer ganz und gar nicht wüstenähnlichen Landschaft). Hier endet die Strasse, aus – finito, und nur mittels Boot können wir weiter Richtung Norden gelangen. Eine kurze Fahrt über den See und schon können wir in Argentinien sozusagen auschecken, sind aber so weit weg davon in Chile einzureisen, wie man nur sein kann… Was tun? Biwakieren in der zollfreien Zone? Eben, so suchen wir uns also neben dem Zollhäuschen ein bezauberndes Plätzchen am See mit Blick auf den schon so oft genannten (und geliebten) Berg und bereiten uns mental auf die spektakulärste Grenzüberquerung seit Beginn unseres Projektes vor. So, seid ihr nun neugierig? Der Tag beginnt wieder einmal früh, vor uns liegt ein Berg, der uns von Chile trennt, den wir aber nur zu Fuß entlang eines schmalen Wanderpfades überqueren können. Mariposita und Tigre müssen wir also schieben, zunächst so steil bergauf, dass wir uns mit voller Kraft gegen die Räder stemmen müssen, um nicht wieder hangabwärts zu rollen. Dann wir der Steig schmaler, gräbt sich einen halben Meter tief in die Erde ein und mit Radtaschen seitlich ist an ein Weiterkommen nicht mehr zu denken, wir schnallen also ab, schieben zunächst zweihundert Meter und kehren dann um, um anschließend die Taschen den Hang hinaufzutragen. Sechs Kilometer kämpfen wir uns über Stock und Stein, durch Bäche ohne Brücken und sind am Ende nicht nur schweißgebadet, nein auch ein bisschen stolz und sehr glücklich, denn vor uns öffnet sich eine kleine Waldlichtung, die sich zur Hälfte chilenisch nennen darf. Nach 18 km abfahren und schieben bekommen wir den offiziellen Stempel – geschafft, in jeglicher Hinsicht. Ein tiefer Atemzug, ein Schluck Wasser, ein Stündchen oder zwei Pause und eine weitere Bootsfahrt über den Lago O’Higgins, den tiefsten See Südamerikas und wir sind da, wo für uns eine große neue Etappe beginnt. Villa O’Higgins, das südlichste Dorf/Nest der Carretera Austral. Die Carretera Austral - wir können uns ein Seufzen an dieser Stelle kaum verkneifen…Traumstraße oder Albtraumstraße, je nachdem, jedenfalls der Weg durch den unbeschreiblich pittoresken Süden Chiles. Elegant schlängelt sie sich durch satte Wälder, vorbei an Fuchsien-Büschen und idyllischen Lagunen, hinter denen anmutig und stolz die schnee- und gletscherbedeckten Berge aufragen. Eine geschmackvolle Kombination, die einen fast den haarsträubenden Fahrgrund vergessen lässt, der oftmals mehr uns fährt, als wir ihn. Loser Schotterbelag, tiefe waschbrettartige Furchungen und niederträchtig steile Hügel gehören eben auch zu den Delikatessen der Straße. Ausgleichend gehören wir für manche Autofahrer zu den Sensations - Schmankerln, werden fotografiert, gefilmt, hupend und winkend angefeuert – Balsam für das Ego :-) Anfangs sind die Ortschaften dünn gestreut, alle fünfzig bis hundert Kilometer ein kleines Nestchen mit Basisversorgung. Eines davon, das eine besondere Erwähnung verdient nennt sich Caleta Tortel. An einem Fjord gelegen und über eine 20 km lange nervenraubende Seitenstraße zu erreichen, ist es wohl eine der abgeschiedensten Örtchen an der Carretera. Die Räder mitsamt Gepäck müssen vor der „Stadt“ warten, hölzerne Stege ersetzen ein herkömmliches Straßengeflecht. Wir nehmen es gemütlich, es ist schließlich nicht alle Tage Sonntag, trinken Wein aus Teetassen - very british - und gönnen uns einen saftigen Burger, bevor wir die 20 km zurück zur Hauptstraße stolpern. Hatten wir in Feuerland bis zu 8 Liter Wasser am Rad, so benötigen wir hier keine größeren Vorräte als eine halbe Flasche, der nächste Wasserfall ist nie fernab, Flasche d‘runter, fertig. Grundbedürfnis Nr. 1 kann also problemlos befriedigt werden, Grundbedürfnis Nr. 2 stillen wir wie üblich meist mit Reis und Packerlsuppe. Grundbedürfnis Nr. 3 = Schlafen = sehr gut, danke der Nachfrage…nicht zuletzt wegen der beispiellos schönen Zeltplätze an smaragdgrünen Lagunen, Bächen und Waldlichtungen. Und Aufstehen vor 7h am Morgen hat sich wegen des zunehmenden herbstlichen Nebels hier als nicht zielführend erwiesen, was uns besonders entzückt stimmt :-) Langsam lassen wir das Campo de Hielo Norte (neben dem Campo de Hielo Sur eines der größten außerpolischen Eisfelder) hinter uns, das wärmere und feuchtere Klima beschert uns zum ersten mal wieder Obst, das wir direkt an der Straße kaufen können, beinahe ein kleine Sensation. Die nächste Attraktion erreichen wir per Boot - eine Galavorstellung der besonderen Art, Marmorhöhlen inmitten des türkisen Lago General Carrera (Lago= See), an deren Decke sich die Wogen des Sees märchenhaft spiegeln… So folgt ein Tag dem anderen, ein Meter dem nächsten und wie nichts (mit bagatellisierendem Unterton) erradeln wir die zweitausend Kilometer Marke…und was dann geschieht, tja, lasst es uns zuerst herausfinden. Abrazos Agnes y Christopher |
Details
Hier findet ihr alle unsere Tagebucheinträge nach Datum geordnet
Archiv
November 2014
|