In steifem Stechschritt spaziert die Wache an uns vorbei, im Hintergrund dröhnt laute Marschmusik und der Präsident der Republik winkt hoheitlich vom Balkon des Präsidentenpalastes. Wachablöse, jeden Montag am Plaza de Independencia, im Zentrum des kolonialen Quitos. Einen Tag nur widmen wir der Metropole, bummeln durch die gepflasterten Gässchen und besuchen einige der unzähligen Kirchen und Monumente. Längst sind wir imaginär schon näher an unserem nächsten Ziel und innerlich allzu aufgewühlt und gespannt. Seit Beginn unserer Reise hegen wir nicht nur den Wunsch, sondern auch die Gewissheit, dass wir uns ein kleines Archipel im pazifischen Ozean, 1000 Kilometer fern des Festlandes nicht entgehen lassen können, die Galapagosinseln. Nach dreistündigem Flug nach San Cristobal, eine der Hauptinseln, betreten wir ehrfurchtsvoll, beinahe ein bisschen demütig das UNESCO Weltnaturerbe. Dem ersten Anschein nach sind wir in einer gewöhnlichen, nicht allzu attraktiven Hafenstadt gelandet, die Hauptstraße am Meeresufer gesäumt von zahllosen Souvenirshops und Kneipen, bis wir erstaunt einem Seelöwen, der sich auf der Parkbank auszuruhen scheint über den Weg laufen und von nun an dem Zauber der Inseln erlegen sind. Unser erster Streifzug auf einer der Nachbarinseln Santa Cruz führt uns an den weißen Strand von Tortuga Bay. Noch keine zehn Schritte im weichen Sand spaziert läuft uns ein schwarzes, drachenartiges Geschöpf vor die Füße, ein marine Iguana. Der ärmste kann einem Fotoshooting nicht mehr entrinnen und wird von allen Seiten genauesten vor die Linse genommen und abgelichtet, bis wir entdecken, dass die gesamten tiefschwarzen Felsen, die ins Meer ragen von den kleinen bis riesigen Echsen belagert sind. Ein grandioser Einstieg in eine überwältigende und einzigartige Fauna, die schon Charles Darwin 1835 bezauberte und inspirierte in seinen Überlegungen und Forschungen und seiner Evolutionstheorie. Die Inseln sind in so vielerlei Hinsicht einmalig, zu Lüften, Land und Wasser. An Bord des Zweimasters Nautilus segeln wir über Wogen und Wellen und tauchen in die Tiefen der pazifischen Meereswelt ein. Einatmen, Ausatmen, Einatmen und nie aufhören zu atmen…nach beinahe eineinhalb Jahren stecken wir wieder im Neoprenanzug, den Sauerstofftank auf den Rücken geschnallt und gleiten sanft ins kalte Nass des Ozeans. Fischschwärme treiben in der Tiefe, ein Rochen taucht aus dem sandigen Grund auf und plötzlich erblicken wir zum ersten Mal in unserem Taucherleben (das zugegebenermaßen sehr kurz und arm an Erfahrungsschatz ist) den Alptraum aller Schwimmer und Surfer und unseren Traum… zwei Haie, zwei ausgesprochen besondere Haie…Hammerhaie. Da fällt es plötzlich schwer das kontinuierliche Atmen nicht kurz zu unterbrechen, die Luft anzuhalten in der ganzen Aufregung und Freude. Einen Moment lang empfinden wir diese Begegnung wie ein Wunder, unbeschreiblich und einzigartig. Wohlweislich waren bis zu jenem Augenblick der Meinung, Hammerhaie seien Planktonfresser...sie sind es nicht… Die weitere Zeit auf den Inseln folgt einem strikten Plan, dem Plan einer Galapagoskreuzfahrt durch die südlichen Gewässer des Archipels. Den Prolog gestalten die ältesten und berühmtesten Insulaner im Hochland von Santa Cruz, die Galapagos-Riesenschildkröten. Die sanften Riesen bestechen nicht nur durch ihr hohes Alter (bis zu 120 Jahren), sondern auch durch ihre einmalige Größe bis zu einem Meter. Eine traurige Geschichte und Vergangenheit liegt hinter ihnen. Lebendig wurden sie auf Piraten- und Handelsschiffen früherer Tage als Proviant mitgeführt und später durch eingeführte Ziegen durch deren Nahrungskonkurrenz stark dezimiert. Erst durch die Ausrottung und gezielte Tötung der eingeschleppten Säugetiere, die das gesamte Gleichgewicht zu gefährden drohten, und intensive Bemühungen seitens des Nationalparks konnten die Bestände wieder vergrößert werden. Nachts segeln wir zur Insel Floreana die mit spannender Historie in Bezug auf deren einstige Siedler aufwartet. Dr. Ritter der mit seiner Geliebten dort ein Eremiten-Dasein anstrebte, sich alle Zähne vor seiner Niederlassung dort ziehen ließ und als Vegetarier an einer Fleischvergiftung starb. Baronesse Wagner, die mit ihren zwei Geliebten nach Floreana kam um dort ein Luxushotel zu eröffnen und die eines Tages spurlos vom Erdboden verschluckt wurde. An sie erinnert nur noch ein gewaltiger Aussichtpunkt über eine türkise Bucht, die mit Meeresschildkröten gefüllt zu sein scheint, und über das hügelige und karge Hochland der Insel. Schon dieser erste Landgang hält uns alle in Atem ob seiner faszinierenden und anmutigen Tierwelt…farbenprächtige Flamingos, die kleinen nur 35 cm messenden Galapagos-Pinguine, Stachelrochen im seichten Gewässer der Bucht, Seelöwen, deren dominante Männchen mit ihrem Gebrüll die Luft erfüllen und Meeresschildkröten die sich zu dieser Jahreszeit ganz ungeniert vor uns paaren. Ein besondere Ort ist das vielleicht außergewöhnlichste „Postamt“ der Welt, ein kleines Holzfass, in dem Karten und Briefe hinterlassen werden, um von anderen Reisenden an ihrem Zielort zugestellt zu werden. Selbstverständlich hinterlassen auch wir eine Nachricht, die irgendwann seinen Adressaten erreichen sollte. Die kleine und unbewohnte Insel Española zeigt sich gerade hochfrequentiert. Die Nazca Boobies (Tölpel) laufen zur Höchstform auf im Partner-Werben und Paaren…Pfeifen, singen und tanzen um ihre Traumfrau von ihren Vorzügen zu überzeugen. Eine Tölpel-Dame zeigt stolz ihre frisch gelegten Eier, während sich die Nachbarin bereits rührselig um ihr kleines Tölpelchen kümmert. Besonders elegant ist der Tanz der Albatrosse und außergewöhnlich selten zu unserer Besuchszeit, da sie außerhalb der Brunftzeit die Insel verlassen. Eine malerische Bucht mit schroffen Felsen, an denen sich die Wellen brechen lädt uns Augenblicke zum Verweilen, Genießen und Träumen ein…zauberhaft, gewaltig und eigentlich unbeschreiblich. Irgendwie scheint sich jede Insel einer Tierart im Besonderen zu widmen, den Blue footed Boobies (Blaufuß-Tölpel), die stolz ihre knallig blauen Beine präsentieren und sich ihres schönsten Stückes sehr bewusst zu sein scheinen, den Fregattvögeln, deren Männchen einen roten Sack zu Brunftzeit aufplustern, den Seelöwen, Iguanas etc. etc. etc. Die Galapagosinseln sind allesamt vulkanischen Ursprungs und waren somit nie Teil des Festlandes, weshalb sich eine derart einzigartige endemische Flora und Fauna entwickelte. Einige der Inseln sind nach wie vor vulkanisch aktiv und so ereignete sich vor etwa hundert Jahren auf Santiago ein gewaltiger Lavastrom ins Meer, auf dem wir wandern und mehr Einblick in die Geologie des Archipels gewinnen. Augen zu- und deutlich tauchen die glühenden Lavamassen, das Rauchen, Dampfen und Zischen in unsere Fantasie auf. Bewachsen sind die Inseln allesamt nur spärlich, vor allem wegen der äußerst geringen Niederschläge, die sich nur alle zehn bis fünfzehn Jahre im Rahmen eines El Niño Ereignisses auf ein Rekordmaß steigern. Was uns über Wasser bezaubert, bezaubert erst recht unter Wasser….Beim Schnorcheln schwimmen und spielen wir mit jungen Seelöwen, bestaunen Pelikane und Blaufußtölpel die wie Pfeile vom Himmel schießen und so die Wasseroberfläche durchbrechen auf ihrer routinierten Fischjagd. Die bunten Fischschwärme, Langusten und Seesterne, ganz zu schweigen von Adlerrochen, die elegant zu fünft unter uns über den sandigen Boden gleiten un d Weißspitzen-Riffhaie, die nicht nur einmal unsere Adrenalinspiegel explodieren lassen. Jeder Tag an Bord der Deep Blue mit unserem fachkundigen und liebenswürdigen Reiseführer William verhilft uns zu neuen Eindrücken und Erlebnissen, bei Land- und Schnorchel-Ausflügen, die sich unvergesslich in unser Gedächtnis einprägen und das Buch der Erinnerungen großzügig füllen. Das letzte Plaudern an Deck wird vom Ruf des Kapitäns unterbrochen, dass uns Delfine am Bug begleiten und so dürfen wir auch sie noch bestaunen, bevor wir uns dem Zauber der Galapagosinseln wieder entziehen müssen und in unsere Welt des Radelns zurückkehren.
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November 2014
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